Susanne Selbert über das Leben und Werk ihrer Großmutter: Eine der vier Mütter des Grundgesetzes
Einen besonderen Gast konnte die hessische Partnerregion Ende Mai in Bad Arolsen begrüßen: Susanne Selbert berichtete über das Leben ihrer Großmutter Elisabeth Selbert. Ihrem Einsatz ist es maßgeblich zu verdanken, dass die Gleichberechtigung von Frauen und Männern 1949 im Grundgesetz verankert wurde: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ (Artikel 3, Absatz 2).
„Wir brauchen mehr Frauen in den Parlamenten“
Nach der Eröffnung durch den regionalen Programmkoordinator Dr. Jürgen Römer begrüßte Bürgermeister Marko Lambion mehrere Dutzend interessierte Gäste im Bürgerhaus von Bad Arolsen. Er betonte die Bedeutung der Repräsentanz von Frauen gemäß ihres Bevölkerungsanteils in den kommunalen Vertretungen. Denn: In Waldeck-Frankenberg sitzen gerade einmal 22% Frauen in den Stadt- und Gemeinderäten. Hier bestehe dringender Aufholbedarf. Erst im März 2024 begrüßte der Landkreis seine erste Bürgermeisterin Barbara Eckes im Amt – ein Erfolg. Mit der vom Landrat Jürgen van der Horst initiierten Teilnahme am Aktionsprogramm packt der Landkreis gezielt die Umsetzung des Artikel 3 Absatz 2 im Grundgesetz an.
Jürgen van der Horst begrüßte anschließend Susanne Selbert mit einer kurzen Vorstellung ihres eigenen politischen Schaffens als ehemalige stellvertretende Landrätin im Landkreis Kassel und als erst kürzlich in den Ruhestand getretene Landesdirektorin des Landeswohlfahrtsverbandes.
Elisabeth Selbert: eine Pionierin durch und durch
Susanne Selbert führte mit einem etwa halbstündigen Impuls mit einigen Bildern in Leben und Werk, aber auch in die Persönlichkeit ihrer Großmutter Elisabeth ein, die sie selbst bis zu ihrem Tod 1986 intensiv kennenlernen konnte. Politisches mischte sich in dieser Lebensbeschreibung auf authentische Weise mit Privatem. Die aus einfachen Verhältnissen stammende Elisabeth Selbert zählte zu den Pionierinnen beim Jurastudium in Deutschland und konnte noch 1934, kurz bevor die NS-Diktatur diese Möglichkeit abschaffte, das Zweite Staatsexamen ablegen und eine Anwaltskanzlei in ihrer Heimatstadt Kassel übernehmen. Sie hatte bereits 1930 mit dem Thema „Ehezerrüttung als Scheidungsgrund“ in Marburg promoviert. Bereits damals kritisierte sie das Schuldprinzip, das Frauen bei der Scheidung häufig rechtlos stellte. Erst 1977 wurde dieses durch ein modernisiertes Eherecht ersetzt.
Strukturen anpacken für mehr Frauen in der Politik!
Im anschließenden Podiumsgespräch kamen Herr Römer und Frau Selbert auf Fragen der Diskriminierung von Frauen in der Politik zu sprechen, die häufig u. a. mit perfiden Methoden wie Body Shaming, Sexismus und der Ableugnung der Kompetenzen einhergeht. Die abschließende Diskussion mit den Gästen drehte sich um Fragen des praktischen politischen Engagements, etwa bei dem Thema „Terminansetzung von Gremien“, aber auch das politische Empowerment von Frauen.