Regionen entwickeln Fahrpläne für mehr Frauen in der Politik

Die Modellregionen haben die Arbeit aufgenommen: In regionalen Kick-Off-Veranstaltungen entwickelten sie Aktivitäten und Maßnahmen, mit denen die Regionen Frauen für die Kommunalpolitik gewinnen und Mandatsträgerinnen im Amt stärken möchten.

In den vergangenen Wochen kamen die Steuerungsgruppen der neuen Regionen 2023/24 zu ihren Kick-Offs zusammen, um die ersten Schritte im Aktionsprogramm Kommune – Frauen in die Politik! zu planen. Jede Partnerregion bildet eine Steuerungsgruppe, die gemeinsam mit den Projektträgerinnen EAF Berlin und Deutscher LandFrauenverband e.V. einen Aktionsfahrplan erarbeitet. Neben den regionalen Koordinator*innen, zumeist den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten, bestehen die Steuerungsgruppen aus Bürgermeister*innen und Landrät*innen, Politikerinnen und Politikern verschiedener Parteien und Fraktionen sowie Mitgliedern der Zivilgesellschaft, LandFrauen und frauenpolitischen Initiativen vor Ort.

In den regionalen Kick-Off-Veranstaltungen tauschten sich die Mitgliederüber die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen ihrer Region aus und definierten erste Ziele. Zudem diskutierten die Mitglieder darüber, welche Angebote bereits für Frauen in ihren Regionen existieren und entwickelten neue Ideen zur Förderung von Frauen für die Kommunalpolitik. Dabei profitieren die Regionen der zweiten Runde außerdem von den Erfahrungen und bewährten Aktionen des ersten Programmdurchgangs. Als Ergebnis werden in einem Aktionsfahrplan die Aktivitäten und Maßnahmen festlegt, mit denen die Regionen Frauen für die Kommunalpolitik gewinnen und Mandatsträgerinnen im Amt stärken möchten.

Schaubild: Mindmap mit vier Oberkategorien - Sensibilisierung, Stärkung, Netzwerke und Rahmenbedingungen - zeigt mögliche Veranstaltungen in Regionen für ihre Aktionsfahrpläne, illustriert und farbenfroh gestaltet.

Aus zahlreichen kreativen Ideen ergaben sich wiederkehrende Themen und Schwerpunkte, die für viele Regionen eine Rolle spielen:

Sensibilisierung der Öffentlichkeit

  • Um die Sichtbarkeit von Frauen in der Politik zu erhöhen, eignen sich beispielsweise Wanderausstellungen: Nachdem sie an einem Ort ausgestellt wurden, können sie im weiteren Verlauf an benachbarte Kommunen weitergegeben werden. Die EAF Berlin empfiehlt die Ausstellung „Mütter des Grundgesetzes“  des Helene Weber-Kollegs, welche kostenlos genutzt werden kann. Im ersten Programmdurchgang konzipierte der Kreis Steinburg eine Ausstellung über kommunalpolitische Vorbilder, um auf die immer noch mangelnde Teilhabe von Frauen in der Politik hinzuweisen und Frauen für ein Engagement in der Kommunalpolitik zu ermutigen.

  • Einige Regionen zeigten großes Interesse am Format „Podcast“, in denen aktiven Lokalpolitikerinnen als Vorbilder eine Plattform geboten werden kann. Der Landkreis Oberhavel hat dieses Vorhaben im ersten Programmdurchgang bereits erfolgreich umgesetzt – der Podcast „Frauen Macht Politik“ kann hier angehört werden.

  • Zusätzlich eignen sich in vielen Regionen öffentlichkeitswirksame Aktionen auf dem Marktplatz oder vor dem Rathaus. Eine besonders öffentlichkeitswirksame und bereits mehrfach durchgeführte Aktion stellt dabei die sogenannte Stühle-Aktion dar. Als Vorbild dient das regionale Bündnis „50:50 - Mehr Frauen in die Politik” der Landkreise Osnabrück, Emsland und Grafschaft Bentheim. Hierbei werden die Geschlechterverhältnisse in der Verteilung der Mandate in den jeweiligen Kommunalparlamenten symbolisiert, um auf die Unterrepräsentation von Frauen hinzuweisen. Zusätzlich soll Bürger*innen ein Gesprächsangebot gemacht werden.

Netzwerke und Austauschformate

Netzwerke sind wichtige Austausch- und Stärkungsmöglichkeiten für Frauen in der Kommunalpolitik. Durch verschiedene Gesprächsangebote, die in ein regionales Begleitprogramm eingebettet sind, können diese ausgebaut und verstärkt werden. Beliebte Formate und Ideen aus den Regionen sind hierfür:

  • Stammtisch- und Begegnungsformate wie Tapas-Talk, politisches Frauenfrühstück oder Walk and Talk bieten einen niedrigschwelligen Austausch zwischen Politikerinnen und Interessierten. Diese Formate sind auch für den überparteilichen Austausch zwischen bereits aktiven Politikerinnen geeignet. In der ersten Programmrunde erprobte die Region Görlitz & Bautzen mit dem Format Pasta & Politik bereits erfolgreich, wie regionale Küche und Austausch erfolgreich kombiniert und sich daraus weitere Netzwerke entwickeln können.

  • Niedrigschwelliger Austausch funktioniert auch über das Format frauenpolitischer Filmvorführungen, welche an verschiedenen Orten der Region mit anschließender Diskussionsrunde stattfinden können. Die Region Wartburgkreis führte zum Beispiel eine Film-Veranstaltungsreihe durch. Passend zum Thema kommen beispielsweise die Filme „Die Unbeugsamen“, „Die Sternstunde ihres Lebens“, „Wem gehört mein Dorf“, „Die perfekte Kandidatin“ und „Junge Politikerinnen – Yes She Can“ in Frage.

Empowerment und Kompetenzerweiterung

Um Frauen auch auf der individuellen Ebene zu stärken, Informationen und Hintergrundwissen bereitzustellen oder sogenannte Soft Skills auszubauen, können sowohl fachpolitische Themen als auch Tipps für sicheres Auftreten angeboten werden. Solche Angebote können interessierten Frauen aber auch Frauen mit Mandat mehr Sicherheit geben, sich in herausfordernden Situationen zu behaupten und selbstbewusst aufzutreten.

  • In Zusammenarbeit mit Volkshochschulen und Bildungsinitiativen wollen die meisten Regionen der zweiten Programmrunde Workshops zu Themen wie beispielsweise Rhetorik, Auftrittspräsenz, Reden schreiben und Überzeugs- und Durchsetzungsfähigkeit anbieten. Diese stärken das Selbstvertrauen und erweitern Kompetenzen, die in der Kommunalpolitik und darüber hinaus für Anfängerinnen hilfreich sind.

  • Eine weitere Idee in Kooperation mit Volkshochschulen ist ein sogenannter Politik-Führerschein, der auf die Erweiterung fachlicher Kenntnisse abzielt. Hierbei können verschiedene Kurse zum Thema „Grundlagen der Kommunalpolitik“, “kommunaler Haushalt” bis hin zu „Feminismus in der Stadtplanung“ absolviert werden.

  • Außerdem hoben viele Regionen die besondere Bedeutung des Themas Hass und Hetze im Netz in Zeiten der Digitalisierung und Anonymität sozialer Netzwerke hervor. Zur Umsetzung einer entsprechenden Aktion eignen sich Workshops zur Aufklärung, wie Hass und Hetze im Netz begegnet werden kann und dazu, wo und wie Unterstützung verfügbar ist. Außerdem können öffentliche Aktionen, wie eine Social Media Kampagne, die offen Erfahrungen betroffener Kommunalpolitikerinnen thematisiert, anderen Betroffenen Mut machen und die Gesellschaft sensibilisieren.

Rahmenbedingungen

Das Aktionsprogramm nimmt nicht nur Frauen in den Blick, sondern möchte auch strukturelle Veränderungen zur Steigerung der Attraktivität von Kommunalpolitik anstoßen. Hierzu ist es notwendig, bestehende Rahmenbedingungen genau zu betrachten, zu identifizieren, welche Punkte das politische Engagement von Frauen hemmen, sie kritisch zu hinterfragen und neue Lösungsmöglichkeiten zu erproben. Ein Einblick in bereits umgesetzte Maßnahmen und Ideen der Kommunen:

  • Der Landesfrauenrat Schleswig-Holstein hat gemeinsam mit der Region Steinburg einen Leitfaden für Einsteiger*innen und Aktive in der Kommunalpolitik erstellt. Dieser soll aktuell noch um Kinderbetreuungsangebote ergänzt werden. Als Muster für ähnliche Vorhaben in den Regionen kann der Leitfaden hier heruntergeladen werden.

  • Die Entwicklung eines Verhaltenskodexes (Code of Conduct) kann zur Verbesserung der Sitzungskultur beitragen. Dabei kann beispielsweise daran erinnert werden, dass Beiträge stets sachlich bleiben sollten und Beleidigungen zu unterlassen sind. Als Vorlage für ein gemeinsames Selbstverständnis kann die Anlage zur Geschäftsordnung der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung dienen, welche seit März 2021 einen Kodex für wertschätzenden Umgang beinhaltet.

  • Die Nutzung von digitalen Tools kann dabei helfen, die Sitzungszeiten zu verkürzen. Dies erwies sich als gutes Instrument zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Ehrenamt, Erwerbs- und Sorgearbeit sowie Privatleben für alle Amtsträger*innen. Mithilfe von Timer-Apps kann eine feste Redezeit festgelegt und für alle Sitzungsteilnehmenden sichtbar gemacht werden – die Region Oberhavel und Oranienburg hat damit im ersten Turnus sehr gute Erfahrungen gemacht. Im Ennepe-Ruhr-Kreis wurde in einer Gemeinde während der Pandemie die gute Praktik etabliert, alle Sitzungen auf zwei Stunden zu begrenzen und damit auch Verwaltung und Sitzungsleitung zu realistischeren Tagesordnungen anzuhalten. Dies reduziert die Arbeitsbelastung und den Zeitaufwand von Mandatsträger*innen.

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Aktion: Farbige Stühle zeigen die Unterrepräsentanz von Frauen in Samtgemeinderäten

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Feierlicher Abschluss in Emsland, Osnabrück und Grafschaft Bentheim (Niedersachsen)